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Entwicklung des Genus im Deutschen und Vergleich mit dem Lateinischen

Latein

Im Lateinischen ist das natürliche Geschlecht maßgeblich: Das attributiv verwendete Substantiv richtet sich mit seinem Genus nicht nach dem phenotypischen grammatischen, sondern nach dem genotypischen natürlichen Genus. Dabei gilt:

  • Die Männer, Völker, Flüsse, Wind / und Monat Maskulina sind.
  • Die Frauen, Bäume, Städte, Land / und Inseln weiblich sind benannt.
  • Was man nicht deklinieren kann, / das sieht man als Neütrum an.

Es sind beispielsweise viele Bäme der (grammatischen) Form nach Maskulina. Da aber geglaubt wurde, alle Bäume würden von weiblichen Wesen bewohnt, ist das natürliche Geschlecht weiblich.

QVERCVS·ALTAdie hohe Eiche
QVERCI·ALTÆder hohen Eiche
QVERCO·ALTÆder hohen Eiche
QVERCVM·ALTAMdie hohe Eiche
......
QVERCI·ALTÆdie hohen Eichen
QVERCORVM·ALTARVMder hohen Eichen
QVERCIS·ALTISden hohen Eichen
QVERCOS·ALTASdie hohen Eichen
......

Gotisch

Im Gotischen zeigt sich das Genus noch stark an bestimmte Deklinationsklassen gebunden. Es gibt bereits die starke und die schwache Flexion des Attributs, die Verwendung eines Artikels scheint jedoch der griechischen Vorlage (Wulfila-Bibel) geschuldet.
Überhaupt läßt sich aufgrund des geringen Textcorporis nicht viel sagen über die Verhältnisse im Gotischen.

Althochdeutsch

Flexion: drei Genera, vier Kasus, Numerus. Maskulin und Neutrum sind eng verwandt, sie unterscheiden sich im ahd. nur

  • bei der Deklination starker Substantive im Nominativ und Akkusativ pl.
  • bei starken Adjektiven und Pronomen im Nominativ und Akkusativ sg.
Bei schwachen Substantiven und Adjektiven sind Nominativ und Akkusativ plural zusammengefallen.

Nomina

  • u.A. sind Substantive der sog. a - ô - Deklination stark (a- für mask./neutr., ô- für fem.).
  • Diese sind auch bei Adjektiven stark und treten mit Substantiven der gleichen Deklinationsklasse auf.
  • Die starke ist die ältere Deklinationsform, die von der schwachen zunehmend verdrängt wird.
  • Bei der starken Deklination werden alle drei Genera im Nominativ sg. durch Flexion markiert.
→ die Form des Adjektivs richtet sich also nach der des Substantivs. Ist dieses schwach, ist auch das Adjektiv schwach und dem entsprechend ist das Genus durch Flexion markiert.

Pronomina

  • werden im ahd. auch als bestimmter Artikel oder Relativpronomen verwendet. Tabelle S.236
  • Das Demonstrativpronomen "dieser" hat die Endflexion des starken Adjektivs und verhält sich wie dieses. Tabelle S.239
  • "jener" hat auch die starke Endflexion und verhält sich entsprechend.

Kardinalzahlen

  • Die drei ersten Zahlen: vier Kasus, drei Genera.
  • Beispiel: "ein" als Zahlwort → Tabelle
  • Hat schwache Flexion nach bestimmtem Artikel und ähnlichen Pronomen und in der Bedeutung von "allein".
  • "ein" als unbestimmter Artikel hat sich im ahd. herausgebildet.
  • Attributiv vor einem Substantiv wird unabhängig vom Genus die unflektierte Form des Nominativ sg. benutzt: Ein man, ein esilin, ein w�b. → wenige Ausnahmen.

Mittelhochdeutsch

Im Mhd. gibt es verschiedene Mittel zum Ausdruck von Genera als grammatisches Geschlecht:

z. B. unterschiedliche Flexionsendungen. Aber während es im Ahd. immer noch volle Vokalqualitäten in unbetonten Silben gibt, so kommt im Mhd. zur Abschwächung der unbetonten Vokale. Bei den Substantiven lassen sich die Flexionsendungen kaum mehr unterscheiden, so daß das Genus durch den vorangestellten Artikel gegeben wird. Die Zuordnung zu einem bestimmten Genus erfolgt häufig nach äußeren Merkmalen der Wortform. A. Polzin meint dazu, dass der Übergang des Ahd. zum Mhd. nicht durch so zahlreichen Genuswandel ausgezeichnet ist wie der des Mhd. zum Nhd. So z. B. Mhd. der Site - nhd. die Sitte nach die Bitte, Mitte trotz der Brauch.

Im Mhd. haben Artikel und Pronomina die Funktion der Endungen übernommen.

Die Formbildung der Nomina ist durch Genus und Numerus gekennzeichnet.

Im Mhd. gibt es die starke und die schwache Deklination der Adjektive. Die schwache Deklination stimmt mit derjenigen des Substantivs überein und unterscheidet sich vom Nhd. nur dadurch, daß der Akk. Sg. Fem. auf -en ausgeht. Die starke Adjektiv-Flexion zeigt in Nom. Sg. Mask. Neutr. Fem. und im Akk. Sg. Neutr. sowohl die flektierte als auch die unflektierte Form. Der Gebrauch der schwachen oder starken Deklination hängt von der syntaktischen Stellung des Adjektivs ab. Sehr häufig ist die Nachstellung des unflektierten Adjektivs oder Pronomens: diu beide rot, der winter kalt. Im Mhd. stehen wie im Nhd. die schwachen Formen nach dem bestimmten Artikel und Demonstrativpronomen, die starken nach dem unbestimmten Artikel und dem Possessivpronomen.

Auch Pronomina haben im Mhd. Genusmarkierungen. So haben wir unter den Personalpronomina der 3. Person er, siu, ez

Das Reflexivpronomen ist im Sg. geschlechtig, im Pl. ungeschlechtig. Für den reflexiven Dat. des Sg. und Pl. erscheint sich erst im 16. Jh. Im Mhd. hei�t es noch: er twuoc im die hende (er wusch sich die Hände), im Akk. dagegen siu sah sich an (sie sah sich an).

Dann haben wir noch Demonstrativpronomina. Die einfachen fallen mit dem bestimmten Artikel zusammen: der, diu, daz. Das Pronomen selp wird stark flektiert in mines selbes lip (mein eigenes Leben), schwach im Nom.: got selbe, selbander (zu zweit), selb dritte (zu dritt). Nhd. selbst ist aus dem selbes hervorgegangen, an dem im Spmhd. /t/ angetreten ist. Die schwache Flexionsform verbindet sich mit dem bestimmten Artikel zu der selbe, diu selbe, daz selbe.

Bei den zusammengesetzten Demonstrativpronomen wird an die Formen des einfachen eine Verstärkungspartikel ahd. -se angefügt. Dadurch entstand z.T. eine Binnenflexion. In den Kasusformen mit /r/ trat schon im Ahd. Assimilation des vorangehenden /s/ ein; im G.Pl. mhd. dirre < ahd. derera, desera. (Tabelle)

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Lateingrammatik: Bornemann, Hirschgraben, Frankfurt/Main 1983;
Gotischgrammatik: Braune/Ebbinghaus, Max Niemeyer, Tübingen 1981;
Althochdeutschgramatik: Braune, Max Niemeyer, Halle/Saale 1936;
Mittelhochdeutschgrammatik: Weddige, C.H.Beck, München 2001.
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